Ich stecke meinen Kopf in einen…

…ziemlichen standardisierten blauen Plastikwäschekorb.


Also eigentlich bin ich mir gar nicht so sicher, ob der so Standard ist. Ich habe in meiner WG Karriere ja schon einige Wäschekörbe gesehen und eigentlich sehen die ja alle schon ziemlich unterschiedlich aus. Andere Farben, Formen, andere Muster und andere Größen. Zumeist aus Plastik. Und obwohl wir uns eine Wohnung teilten, hatten wir alle unseren eigenen Wäschekorb. Eigentlich ziemlich komisch, wenn man bedenkt, dass der ja eher dazu genutzt wird, die Wäsche zu sammeln, bis man sie zum Ort des Waschens überführt. In der WG hätten wir uns auch alle immer einen teilen können. Wir hätten unsere Wäsche gemeinsam sammeln und waschen können. Haben wir aber nicht. Wir teilten Öl, Zwiebeln, Klopapier und Alltag. Aber die unendliche Ressource Wäschekorb wurde nicht als groß teilbar diskutiert. Das Thema kam einfach nicht auf. Also wie intim ist denn bitte eigentlich so ein Wäschekorb? Wenn ich ihn als Hüter menstruationsgezeichneter Buxen, durchgeschwitzter Shirts, vollgebummster Bettlaken und bremsspurbesudelter Unterhosen denke, wohl ziemlich intim. Der Wäschekorb sammelt und wahrt, was die Außenwelt nicht sehen soll. Den Dreck und Schmutz unserer eigenen kleinen Welt. Und als ich da so in meinem ganz persönlichen Wäschekorb liege, stelle ich fest: Ich bin ein Wäschekorb. Halleluja! Ich bin ein Wäschekorb auf zwei Beinen. Ich teile nicht gern meinen Schmutz. Meine Intimität. Meine Abgründe, meine Bremsspuren, meine Ängste, meine Traurigkeit, meine Verletzlichkeit und die Dinge, bei denen oder für die ich blute mit anderen. Viele meiner Gedanken, Gefühle, Kritik und Sorgen behalte ich schön für mich, weil ich davon ausgehe, nein eigentlich weiß ich es genau, dass das doch ohnehin niemanden interessiert oder was angeht. Und ob ich mit meinen Emotionen immer so Recht habe, weiß ich auch nicht genau. Aber ich weiß, dass ich mich dadurch wesentlich weniger angreifbar fühle. Und so wirke ich wohl nach außen, wie ein stabiles, blaues Plastikteil mit individueller Musterung, dass vielleicht auch eine systemrelevante Funktion hat. Ich erfülle einen Zweck und funktioniere in diesem auch soweit ganz gut. Ich wahre und sammle, mehr leise als laut, Dinge, Wissen, Informationen und Gefühle in den plastischen Grenzen meines Korbkörpers. Manchmal landen neben der Dreckwäsche auch saubere Sachen im Körbchen. Manchmal kann ich oder jemand, der/die in meinen Korb guckt, das nicht unterscheiden. Manchmal wirft wer, aber trifft mich nicht und manchmal trifft es mich volle Möhre. Manchmal bin ich ewig leer und steh in der Ecke und manchmal bin ich so überfüllt mit Zeug, dass ich mich wie ein fetter, schwerer, gelähmter Haufen fühle. Und wer bringt mich jetzt zum Waschen? Bin zu voll, kann nicht gehen. Und wie einst in meinen vielen WGs, teile ich diese Dinge kaum oder gar nicht. Ich bin ein Wäschekorb. Ja. Ich bin ein Wäschekorb mit zwei Beinen. Grundsätzlich kann ich also selbst zur Waschmaschine gehen und entscheiden welche der eingeworfenen und aufgenommenen Sachen eine Reinigung brauchen. Manchmal fällt es mir aber unendlich schwer und manchmal schaffe ich es wochenlang nicht. Vor allem dann, wenn es mir alles zu viel wird, der Korb zu voll ist oder bereits übergelaufen. Dann sehe ich mich brechendvoll im Zimmer stehen und weiß nicht, was ich zuerst waschen muss oder soll. Ich fühle mich allein gelassen, deprimiert und handlungsunfähig. Ich fange an mich über meine Unfähigkeit, die beschissene Wäsche zu waschen, zu ärgern. Beschimpfe mich selbst und frage mich, ob ich hier eigentlich die Einzige bin, die hier gerade nichts geschissen kriegt. Bestimmt bin ich die Einzige. Verdammt ich bin erwachsen, habe mehrere Uniabschlüsse und bereits eine turbulente Lebensgeschichte aus Gewalt, Trennung und Tod mal mehr mal weniger gut überstanden. Ich werde doch wohl diese kack Wäsche jetzt mal waschen können. Was soll der Scheiß? Was ist los mit mir? Ich bin ein Wäschekorb und das überfordert mich gerade. Ich bin ein Wäschekorb mit zwei Beinen, nutze die, gehe raus und treffe einen anderen Wäschekorb, der irgendwie ganz schön gebraucht aussieht. Und ganz unverblümt fängt er einfach an, über sich zu erzählen. Ich finde es etwas befremdlich, aber auch irgendwie ganz schön mutig von ihm, all das mit mir zu teilen und so denke ich mir: Warum nicht? Und ich erzähle ihm, welche meiner Buxen momentan besonders schlimm aussehen und warum. Erstaunt und sichtlich erleichtert ruft er freudig: „Was? Deine Buxen auch?“ Und plötzlich fühle ich mich körbchenmäßig verbunden.